Verfasst von: Dr. Who | 17.5.12

328 | Banker verkleiden sich aus Angst vor Protestlern

von Frank Stocker

Ab Mittwoch wollen Demonstranten das Frankfurter Finanzviertel für mehrere Tage komplett lahmlegen. Viele Banker fürchten ein Chaos. Die Institute ergreifen panisch Notfallmaßnahmen.

Bankenblockade in Frankfurt angekündigt

Zerrissene Jeans, Schlabberpulli, Kapuzen-Shirt – in Frankfurts Bankenviertel dürften sich viele am Mittwoch die Augen reiben, wenn sie durch die Straßen gehen. Denn Anzug und Krawatte wird man dann vergeblich suchen. Stattdessen werden die Angestellten der großen Institute betont zwanglos und freizeitmäßig gekleidet auftreten. Doch das tun sie nicht etwa aufgrund einer neuen Lässigkeit. Sondern aus purer Angst.

"Wir wurden aufgefordert uns so zu kleiden, dass wir nicht als Bankmitarbeiter zu erkennen sind", sagt der Mitarbeiter einer großen Bank. Ein Mitarbeiter der Unternehmensberatung PWC bestätigt dies auch für sein Haus.

"Wir sollen möglichst unauffällig und im Freizeit-Look erscheinen." Der Grund sind die seit Wochen angekündigten Proteste der so genannten "Blockupy"-Bewegung, die am Mittwoch beginnen sollen. Und der veränderte Kleidungsstil dürfte dabei die geringste Folge des ganzen sein.

Bankenviertel soll lahm gelegt werden

Das Ziel der Aktivisten ist es, vom 16. bis 19. Mai das gesamte Frankfurter Bankenviertel komplett lahmzulegen, zu blockieren – daher der Name. Dazu sollen Demonstranten aus ganz Europa in der Main-Metropole zusammengezogen werden.

Unterstützt wird die Bewegung unter anderem von Aktivisten und Gruppen der bankenkritischen Occupy-Bewegung, der Gewerkschaften, des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und von linken Initiativen und Parteien. Sie wollen damit gegen die Krisenpolitik von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) protestieren.

Offiziell geben sich die Banken zwar betont gelassen und spielen das Ereignis herunter. "Wir sagen nichts", heißt es beispielsweise aus der Deutschen Bank auf die Frage, wie man sich denn konkret vorbereite. Doch redet man mit einzelnen Angestellten ergibt sich ein anderes Bild. "Hier schieben alle ziemliche Panik", sagt der Mitarbeiter einer großen Fondsgesellschaft.

Ende März kam es zu Ausschreitungen

Ende März war es bei einer Veranstaltung des Netzwerkes bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Demonstranten wurden über Stunden eingekesselt, weil sie die Baustelle der neuen EZB besetzen wollten. Damals war dies nur eine einfache Demonstration. Diesmal ist die Aktion gleich auf vier Tage ausgelegt.

Daher sind die Vorgaben zum Kleidungsstil auch nur das äußere Zeichen einer gigantischen Notfallplanung in den Banken. In den meisten Häusern wurden die Mitarbeiter gebeten, am besten am Mittwoch und Freitag – am Donnerstag ist Feiertag – freizunehmen und gar nicht erst am Arbeitsplatz zu erscheinen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.

Einige Abteilungen können jedoch nicht komplett geschlossen werden, vor allem der Handel. Die Landesbank Hessen-Thüringen ist daher schon dabei, die Handelsabteilung in ein Ausweichquartier ins angrenzende Offenbach zu verlegen.

DZ Bank aktiviert Arbeitsplätze in anderen Städten

Bei der DZ Bank wiederum werden die Notfallarbeitsplätze in Stuttgart und Hannover aktiviert, die permanent bereit stehen für den Fall einer Katastrophe oder anderer Ereignisse, die die Frankfurter Handelsräume lahmlegen. Ähnliche Maßnahmen gibt es in allen Instituten.

Sie alle fürchten, dass der Stadtteil zwischen Europäischer Zentralbank und Deutscher Bank in den kommenden Tagen im Chaos versinkt. Die Stadt hat die Aktionen zwar größtenteils verboten. Ihr Argument ist, dass dieser massive Protest über Tage hinweg die gesamte Bevölkerung in einer Art beeinträchtige, die nicht hinnehmbar sei. Es wurde außerdem angeordnet, dass jene Campierer, die bereits seit Monaten vor der EZB protestieren, ihr Zeltlager bis Mittwoch 8 Uhr verlassen müssen.

Ob dieses Verbot rechtens ist, darum wird derzeit noch vor den Gerichten gestritten. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte am Montagabend Eilanträge der Organisatoren gegen das Verbot zurückgewiesen, allerdings eine Rave-Demonstration durch die Innenstadt am Mittwoch sowie eine Demonstration am Samstag erlaubt, sofern bestimmte Auflagen erfüllt werden.

Aktivisten wollen sich von Verboten nicht abhalten lassen

Selbst wenn die Aktivisten mit ihren Anträgen vor Gericht letztlich scheitern, wollen sie sich davon nicht einschüchtern lassen. "In der Tat ist unsere Aktionsplanung nicht davon abhängig, ob die Richter der Meinung sind, dass wir das dürfen oder nicht", hatte der Blockupy-Vertreter Christoph Kleine am Montag auf einer Pressekonferenz des Bündnisses erklärt. (Richtig so!)

Zwar sei noch nicht klar, wie die Situation in den kommenden Tagen sein werde. "Was völlig sicher ist, ist, dass Aktivitäten in der Stadt stattfinden werden und dass wir jetzt allen Menschen weiterhin empfehlen, nach Frankfurt zu kommen und sich nicht abschrecken zu lassen."

Im Internet mokieren sich unterdessen Anhänger der Blockupy-Bewegung über die Maßnahmen der Banken. "Das wird bestimmt sehr witzig", twittert beispielsweise einer, "das ganze ernste Betriebstheater in Hoodies und Jeans wirkt sicherlich sehr albern." Und ein anderer freut sich schon: "Eigentor, wenn als Banker nicht zu erkennen, werden sie dann von der Polizei mit Blockupy-Sympathisanten verwechselt?"

Unter dem Motto "Blockupy" rufen rund 40 Organisationen zu Protesten gegen die Krisenpolitik von EU, EZB und IWF auf, während sich die Finanzbranche in Frankfurt am Main gegen die Aktionen rüstet.

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