Verfasst von: Dr. Who | 24.8.12

454 | Das Russlandjahr in Deutschland gewinnt an Fahrt

von Natalia Pawlowa | Stimme Russlands

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© Collage: Stimme Russlands

In der Russischen Botschaft Berlin hat eine Pressekonferenz zu den Veranstaltungen stattgefunden, die im Rahmen des Russland-Deutschland- Kreuzjahres von der Föderalen Agentur Rossotrudnitschestwo durchgeführt werden. An der Pressekonferenz nahm der Vizechef der Föderalen Agentur, Alexander Tschesnokow teil. Wir haben nach Berlin telefoniert und Alexander Tschesnokow gebeten, unsere Fragen zu beantworten.

In Bonn und Berlin wird im August ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm mit einer Vielzahl an russischen Ensembles geplant. Lässt sich behaupten, dass das bilaterale Jahr in seine zweite Phase eintritt und sich allmählich auf den deutschen Boden verlagert?

„Tatsächlich verläuft das Russlandjahr in Deutschland ungewöhnlich. Es dauert vom Juni 2012 bis zum Juli 2013. Einige Veranstaltungen haben in Moskau stattgefunden. Wie Sie wissen, wurde am 20. Juni das Deutschlandjahr in Russland eröffnet. Jetzt laufen Veranstaltungen hier in Deutschland, diese Veranstaltungen werden von Rossotrudnitschestwo mit Unterstützung verschiedener Organisationen durchgeführt. Die erste Veranstaltung im Rahmen des Russlandjahres in Deutschland ist das Internationale Kinderforum am 24. August in Bonn, das Hunderte russische und deutsche Kinder zusammenführt. Dann findet am 30. August im Zentrum von Berlin, am Gendarmenmarkt das Internationale Galakonzert „Strahlende Sterne Russlands“ statt. Gut zwanzig berühmte, legendäre Ensembles aus unserem Lande werden daran teilnehmen.“

Welche Bedeutung hat die Durchführung des Russland-Deutschland-Jahres für die Weiterentwicklung der deutsch-russischen Beziehungen? Welches Potential hat die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern?

„Meines Erachtens hat unsere bilaterale Zusammenarbeit ein riesiges Potential sowohl in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen als auch im Bereich der wissenschaftlichen, akademischen und Kulturbeziehungen. Und ich glaube, dass gerade das Deutschlandjahr in Russland bzw. das Russlandjahr in Deutschland all die Bemühungen ummünzen und bündeln, die in der Nachfolge zur Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen beitragen werden. Eingeplant sind Hunderte Veranstaltungen, und das wird ein kolossaler Beitrag zum Potential unserer Zukunft sein.“

Früher wurden bilaterale Jahre in Spanien, Frankreich und Italien veranstaltet. In Italien bildete die Eröffnung des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur das zentrale Ereignis. In Berlin existiert das Russische Haus schon seit geraumer Zeit. Wie würden Sie seine Rolle bei der Ausrichtung des bilateralen Jahres und bei der Kontaktpflege zu russischen Landsleuten im Ausland bewerten?

„Ja, gewiss. Ich muss wohl unseren Rundfunkhörern sagen, dass unser Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur hier in Berlin das größte im Netz von Rossotrudnitschestwo ist, wohl auch das legendärste, gemessen an seiner Geschichte. Und natürlich hoffen wir, dass es im Rahmen des Russlandjahres in Deutschland auch das aktivste Zentrum der Arbeit mit den Landsleuten, die hier in Deutschland leben, aber auch der Verbreitung der russischen Sprachkurse, der Durchführung verschiedener Kulturveranstaltungen darstellt. Dabei wird das Programm in diesem Jahr sicher viel reichhaltiger sein als in den vergangenen Jahren.“

Welche neuen Gelegenheiten bietet das bilaterale Jahr den Bürgern unserer Länder: etwa Studenten-, Forscheraustausch, neue Projekte?

„Sie wissen wahrscheinlich, dass wir u. a. hier, in Berlin am 4. und 5. Oktober ein Studentenforum veranstalten. Das ist zum einen ein Forum des Studentenaustausches, zum anderen repräsentieren seine Teilnehmer über 50 russische und deutsche Hochschulen. Auch die Rektoren dieser Hochschulen werden daran teilnehmen. Natürlich sollen diese Beziehungen, vor allem im studentischen Bereich und beim Austausch der Lehrkräfte weiter ausgebaut werden. Wir haben über die bilateralen Jahre in Frankreich, Spanien, Italien gesprochen. In Italien wurden während eines ähnlichen Studentenforums unter Beteiligung der römischen Universität La Sapienza 17 Abkommen mit russischen regionalen Universitäten und technischen Hochschulen unterzeichnet. Dieses Programm konzentriert sich in erster Linie auf den Austausch von Studenten- und Lehrergruppen, auf die wissenschaftliche Forschung. Es sei betont, dass während des Russlandjahres in Deutschland eines von den Programmen, das von dem Präsidenten Russlands Wladimir Putin unterstützt wurde, kurze Studienreisen für Nachwuchswissenschaftler, junge Kulturschaffende und Politiker beinhaltet. Es wurde bereits gestartet: Die erste Gruppe aus fünf Personen hat bereits im Rahmen des Deutschlandjahres 10 Tage in Russland verbracht. Und ich glaube, auch das trägt gewissermaßen zu unseren bilateralen Beziehungen bei.“

Von den Veranstaltungen des Russlandjahres in Deutschland und von dem Ansporn, den das bilaterale Jahr zu dem Ausbau der deutsch-russischen Beziehungen gibt, hat am Mikrophon der Stimme Russlands der Vizechef der Föderalen Agentur Rossotrudnitschestwo Alexander Tschesnokow berichtet.

„Barbara“ als Erinnerung an die DDR

Am 16. August ist «Barbara» des deutschen Regisseurs Christian Petzold in Russland angelaufen. Bei der Berlinale 2012 hat der Film den Silbernen Bären für die beste Regie und den Morgenpost-Leserpreis gewonnen.

Die Handlung spielt in den 1970er Jahren in der DDR. Die junge Ärztin der Berliner Charité, Barbara Wolf (dargestellt von der bekannten deutschen Schauspielerin Nina Hoss) beantragt die Ausreise in die BRD, um sich mit ihrem Geliebten zu vereinigen. Statt der Ausreiseerlaubnis wird sie in eine Provinzstadt nahe Schwerin strafversetzt, wo Stasi-Agenten sie unablässig beobachten, mit regelmäßigen Haussuchungen und demütigenden körperlichen Kontrollen.

In der DDR wurden Ärzte, die das Land verlassen wollten, erziehenden Maßregeln unterzogen: Männer wurden als Militärärzte eingesetzt, Frauen an Provinzkliniken zwangsverpflichtet. Das erfuhr Petzold, Sohn von DDR-Flüchtlingen, von einem bekannten Arzt aus Fürstenwald. Dieser Umstand sowie die Novelle Barbara des Österreichers Hermann Broch motivierten den Regisseur für die Arbeit an dem neuen Projekt.

Nach Berlin kommt das Leben in der Kleinstadt der Protagonistin langweilig und eintönig vor. Als sie in das neue Team kommt, verschließt sich Barbara, sie verkehrt nicht mit ihren Kollegen, merkt nicht die leichten Brauntöne des beginnenden Herbstes, mit denen der Regisseur das Bild ausgiebig füllt. Laut Petzold hat er bei der Arbeit an „Barbara“ versucht, das unpersönliche Grau zu vermeiden, das seine Kollegen in den Filmen über die DDR so gern verwenden: „Irgendwie kommt die DDR in den Filmen der letzten Jahre ziemlich entsättigt daher. […] Es herrscht das Grau der Grenzübergänge, und die Gesichter [sind] müde […]. Es ging uns nicht darum, das Porträt eines Unterdrückerstaates zu drehen. Und dagegen dann die Liebe zu setzen, die unschuldige, reine, befreiende. […] Wir wollten keine Symbole.“

Für die Dreharbeiten wurden DDR-Innenausstattungen wahrheitsgetreu nachgebildet. Im leerstehenden Krankenhausgebäude der Stadt Brandenburg an der Havel wurden Schönheitsreparaturen gemacht, die Schauspieler wurden nach der Mode jener Jahre gekleidet und frisiert.

Die trostlose Ausweglosigkeit erfüllt die Existenz der Hauptheldin. Bis sie in die Arbeit eingestiegen ist. Ihre erste Patientin in der Abteilung Kinderchirurgie ist Stella (Jasna Fritzi Bauer), die aus einer Strafkolonie in Schwerin geflüchtet ist. Die Jugendliche beginnt, mit Barbara zu sympathisieren, sie vertraut nur ihr, auch Barbara selbst taut auf, wird für menschliche Gefühle empfänglicher. Trotzdem kann die Ärztin nichts machen, um nach der Genesung ihrer Patientin ihre Rückführung in die Kolonie zu verhindern. Die schluchzende Stella wird von den Wachen fortgebracht; Barbara wird in ihrer Absicht bestätigt, auf jede mögliche Weise das Land zu verlassen, und bereitet sich weiter auf die Flucht vor.

Allmählich bringt aber der Respekt, den der Leiter der Klinik Dr. André Reiser (dargestellt von Ronald Zehrfeld) u. a. Mitarbeiter für ihre hohe Professionalität aufbringen, Barbara zur Einsicht, dass man sie hier braucht und es für sie sehr wichtig ist. Was wird sie im neuen Leben sein: Hausfrau bei einem gut verdienenden Ehemann, die im trendigen Magazin „Quelle“ blättert und Schmuck für sich bestellt?

Christian Petzold als ausgeprägter Repräsentant der „Berliner Schule“ der deutschen Filmkunst zeigt mit seiner minutiösen Aufmerksamkeit für Details, wie sich die Meinung der Hauptheldin von der sie umgebenden Wirklichkeit unmerklich ändert. Zufällig kommt sie ins Haus des Stasi-Offiziers Klaus Schütz (Rainer Bock) und sieht ihn als einen gewöhnlichen Menschen, einen gramerfüllten Ehemann, der seine unheilbar kranke Frau pflegt. Sie merkt die Verliebtheit von André und ist bereit, sein Gefühl zu erwidern. Sie analysiert ständig den Zusand des neuen Patienten, eines Jugendlichen, der am Kopf verletzt ist und die gewöhnlichen Gefühle eingebüßt hat. Ob sie nicht selbst ihre Gefühle verliert, wenn die Flucht gelingt, und ob das neue Leben sie nicht bis zur Unkenntlichkeit verändert? Ist sie damit einverstanden, sich selbst, wie sie vorher war, zu verlieren? Die Entscheidung wird schnell getroffen. Ihre ehemalige Patientin Stella entflieht wieder aus der Strafkolonie, und Barbara tritt ihre Fluchtmöglichkeit in den Westen über die Ostsee an sie ab, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Leute nur eine Person mitnehmen können; sie selbst kehrt zurück in die Klinik.

Für die russischen Zuschauer, denen sich die Ex-DDR gut eingeprägt hat, wurde der Film von Petzold eine nostalgische Erinnerung an die Vergangenheit. Vor dem Hintergrund der Übermacht der Kassenschlager auf der Leinwand gibt uns „Barbara“ die einfachen menschlichen Gefühle wieder. Die herausragende schauspielerische Leistung, die tiefe Tragik der Gestalten bei äußerlicher Ruhe, Innigkeit ohne Aufdringlichkeit treffen mitten ins Herz und lassen einen mit den Helden mitfühlen.

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Quelle: http://german.ruvr.ru/radio_broadcast/59983259/85366181.html


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